Herzmedikamente wegen möglicher Corona-Infektion absetzen? Das rät Kardiologin Irene Maria Blank

Viele Menschen sind derzeit aufgrund der täglich neuen Nachrichten in Bezug auf die Corona-Pandemie verunsichert. Dies trifft insbesondere auf Patienten mit bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu. Immer wieder kursieren Meldungen, wonach bestimmte Herzmedikamente das Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 begünstigen. Kardiologin Irene Maria Blank aus Herne erklärt hier die Hintergründe und warum es wichtig ist, Medikamente gerade jetzt nicht abzusetzen oder die Dosierung zu ändern.

COVID-19: Nicht sofort auf den Panik-Zug aufspringen

In der Geschichte der Menschheit gab es immer wieder Pandemien. Mediziner, Virologen und Statistiker sammeln Daten, werten aus, tragen die Ergebnisse zusammen und interpretieren mögliche Zusammenhänge. Während die Bevölkerung zu Zeiten früherer Pandemien, wie beispielsweise der Spanischen Grippe, wenige bis gar keine Informationen erhielt, ermöglichen moderne Medien einen fast schon minütlichen Nachschub an Nachrichten. Ist das nun gut oder schlecht, fragen sich da viele.

Mit Sicherheit sind die modernen Möglichkeiten der Nachrichtenübermittlung und deren Bereitstellung unübertroffen. Medizinische und epidemiologische Erkenntnisse lassen sich ohne Umschweife übermitteln und ermöglichen es, schnell wirksame Maßnahmen zu ergreifen und die Bevölkerung zu schützen. Darüber hinaus handeln Menschen, die gut informiert sind, in der Regel auch verantwortungsvoll und gesundheitsbewusst. Die schnelle mediale Verbreitung von Nachrichten bringt aber auch die Kehrseite der Medaille zum Vorschein. Denn vor allem Menschen mit Vorerkrankungen können durch Paniknachrichten und unausgewogene Berichterstattung schnell verunsichert werden.

Fakten auf den Tisch: Erhöhen Herzmedikamente das Infektionsrisiko?

Bereits zu Beginn der Corona-Krise wurden Stimmen laut, die einen klaren Zusammenhang zwischen bestimmten Herzmedikamenten und einem höheren Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 erkannt haben wollten. Im Zentrum der Diskussion: Blutdrucksenker, genauer gesagt ACE-Hemmer und Sartane (Angiotensin-Rezeptor-Blocker). Diese beiden Wirkstoffgruppen kommen bei Bluthochdruck und Herzinsuffizienz zum Einsatz.

In zellbiologischen und tierexperimentellen Studien zeigte sich, dass ACE-Hemmer und Sartane in menschlichen Geweben die Aktivität des sogenannten Angiotensin-Konversionsenzyms ACE2 erhöhen können. Die Forschung zum neuartigen Coronavirus offenbarte, dass das Virus eben dieses Enzym als Andockstelle (Rezeptor) nutzt, um in die Zelle einzudringen und sich dort zu vermehren. Nach einigen Medienberichten hätten durch die eingenommenen Medikamente Herzpatienten deshalb ein höheres Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion. Irene Maria Blank, Kardiologin am Medizinischen Versorgungszentrum Herne, sagt dazu: „Bislang gibt es keine medizinischen Beweise, die zeigen, dass die Einnahme von ACE-Hemmern oder Sartanen sich negativ auf das Risiko oder den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung auswirkt.“

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Therapieänderung? Nutzen und Risiko abwägen!

Und mehr noch: Ihre Herzmedikamente schützen Sie vor möglichen schwerwiegenden Folgen Ihrer Herzerkrankung. „Eine unüberlegte Änderung der Dosis oder gar ein Absetzen der Medikation ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt wäre unverantwortlich, da sich dadurch eine bestehende Herzerkrankung rasch verschlechtern könnte“, betont Blank. „Die möglichen, bisher nur hypothetisch existierenden Nachteile von Herzmedikamenten im Zusammenhang mit ACE2-Rezeptoren und einem nachteiligen Effekt auf eine COVID-19-Erkrankung unterliegen den durch eine Vielzahl von Studien eindeutig belegten Vorteilen einer angepassten Therapie mit ACE-Hemmern und Sartanen. Oder einfach gesagt: Ihre Herzmedikamente wirken effektiv bei Krankheiten wie Bluthochdruck und Herzschwäche, sie schützen vor Folgeschäden und verzögern das Fortschreiten der Erkrankung. Punkt.“

Selbstverständlich ist die Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nachvollziehbar, „blinder Aktionismus wäre aber definitiv der falsche Ansatz“, so Blank weiter. Denn sollte es tatsächlich zu einer Infektion kommen, steigt die Belastung für das Herz-Kreislauf-System enorm an. „Die Herzmedikamente sind dann quasi das Rüstzeug für das Herz unserer Patienten: Sie schützen den Herzmuskel, indem dieser entlastet wird, und sorgen für einen effizienten Herzschlag. Zudem wird der Blutdruck im Zielbereich gehalten, ohne dass das Herz gegen einen zusätzlichen hohen Widerstand ankämpfen muss“, erklärt Blank.

Therapie beibehalten und Infektion verhindern

Oberstes Ziel sollte also sein, das Risiko für eine Coronavirus-Infektion so gering wie möglich zu halten. Da Herzpatienten eine Risikogruppe darstellen, sind die geltenden Verhaltens- und Hygieneregelungen gerade für diese Menschen enorm wichtig. Zwar bedeutet eine COVID-19-Infektion für Patienten mit Herzerkrankungen nicht zwangsläufig einen schweren Krankheitsverlauf, dennoch sind schwerwiegendere Verläufe bei Herzpatienten gegenüber Gesunden weitaus häufiger der Fall. Blank appelliert daher: „Achten Sie auf sich, nehmen Sie regelmäßig Ihre Medikamente, halten Sie dringend die empfohlenen Abstands- & Hygiene-Regelungen ein, und wenden Sie sich im Falle von Beschwerden wie Fieber, Kurzatmigkeit oder einem Druckgefühl in der Brust sofort an Ihren behandelnden Arzt, den ärztlichen Bereitschaftsdienst oder den Notruf.“

 

 

Irene Maria Blank

Medizinisches Versorgungszentrum Herne
St. Elisabeth Gruppe - Katholische Kliniken Rhein-Ruhr

Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie
Tätigkeitsschwerpunkte: koronare Herzerkrankung, Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen

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